Wie ich nach Japan kam und was dort alles auf mich wartete (Teil 2 - Schlag auf Schlag)

Zu Teil 1 gehts hier

Wir beschlossen also in Osaka zu bleiben und hatten noch genau 3 Tage, die wir in dem Guesthouse bleiben konnten weil wir nur fuer einen Monat gebucht hatten, unser Zimmer nach dieser Frist wegen vorher eingegangenen Buchungen bereits wieder belegt war und wir deshalb nicht verlaengern konnten.
Es war Ende Maerz und wie manche von euch vielleicht wissen sind Maerz und April wegen der Kirschblueten-saison eine der Hochzeiten im japanischen Tourismus.
Wir mussten also schnell eine andere Loesung finden.
Ich suchte nach Guest houses die noch nicht voll waren und telefonierte stundenlang in ganz Osaka umher. Nichts. Alles ausgebucht und auf diese kurze Zeit war es unmoeglich etwas zu finden.

Hier wohnten wir zu 4.
Man konnte sich kaum umdrehen... 

Ich beschloss also in meiner Verzweiflung es bei Immobilienmaklern zu versuchen. Nach einigen Anrufen und Verstaendigungsschwierigkeiten mit Maklern die groesstenteils kein Wort Englisch konnten erklaerte sich einer bereit mich noch am selben Tag zu treffen.
Ich machte mich also ohne meine Freundin, die noch schlief auf den Weg zu einem Ort namens Tenmabashi, wo ich noch nie vorher gewesen war. Dort holte mich der Makler an der U-Bahnstation ab und begruesste mich in seinem nicht allzu schlechten Englisch.
Wir gingen zusammen zu seinem Buero und er erklaerte mir dass er eine 1-Zimmer Wohnung habe, die fuer uns in Frage kaeme aber da wir eben Auslaender seien und keinen Buergen vorweisen konnten wuerden wir einen fetten Batzen Kaution zahlen muessen.
Ausserdem koennen wir die Wohnung nicht vorher besichtigen da sie erst zum 1. frei wurde, genau einen Tag nachdem wir das Guesthouse verlassen mussten.
Inzwischen war mir alles recht. Und so sagte ich zu ohne die Wohnung auch nur gesehen zu haben.
Am 31. Maerz verliessen wir also das Guesthouse und mussten fuer eine Nacht in einem ueberteuerten Business-hotel absteigen.
Am naechsten Tag machten wir uns mit unseren inzwischen 3 Koffern und einigen Tueten vom Shoppen (Wir dachten ja wir wuerden zurueck also kauften wir anfangs kraeftig ein) auf den Weg zum Treffpunkt wo der Makler uns mit dem Auto abholte um uns zur Wohnung zu bringen.
Wir packten alles ein und es ging los....
Irgendwohin.... wir hatten keine Ahnung wo wir waren oder geschweigedenn ob wir dort ueberhaupt irgendeine Anbindung zur Stadt haben wuerden. Aber wir hatten ja keine Wahl. Besser als unter einer Bruecke zu Hausen war es allemal.


Zumindest hatten wir dort den Schlossgarten
in unmittelbarer Naehe


Dann kamen wir an, in der 1-Zimmer Wohnung, die wirklich nur aus einem "Zimmer" bestand. Das Bett war vom Vormieter zurueckgelassen worden und die Wohnung war so eng dass man sich schon alleine kaum umdrehen konnte.
Zu zweit hatten wir Schwierigkeiten unsere Koffer abzustellen, weshalb wir 2 davon auf den kleinen Balkon stellten.
Nachdem der Makler weg war und wir es uns so gemuetlich machten wie es unter gegebenen Umstaenden nur moeglich war sassen wir uns aufs Bett und schauten uns einen kurzen Augenblick lang in die Augen worauf wir erneut in einen synchronen, lauten Lachanfall ausbrachen. Wir konnten uns einfach nicht mehr einkriegen. Die Situation war zu komisch.
Nachdem wir uns einigermassen beruhigt hatten sagte ich: "Hast du dir den Weg gemerkt?"
und sie erwiederte "Hast du nen Knall, wir sind durch ein verdammtes Labyrinth gefahren."
Und wir lachten erneut laut los worauf es an die Wand klopfte.
Wir hatten also scheinbar Nachbarn. (Eine Chinesin, wie ich spaeter an ihren Gesangskuensten erkannte). Die Waende waren duenn wie Papier.

Am Abend wollten wir unbedingt etwas Spass haben und beschlossen (wegen Geldmangel) zu Fuss zur Stadt zu laufen.
Mein Mann hatte damals mein Smartphone sperren lassen, weshalb ich auch keine Karte online benutzen konnte.
Wir waren also irgendwo und ich verliess mich wie immer auf meine Orientierung.
Ich muss dazu sagen dass ich einen Orientierungssinn wie eine Taube habe. Ich kann mich sehr gut an Himmelsrichtungen orientieren. Ich mache das nicht bewusst aber irgendwie klappts doch fast immer. Ich wusste also so ungefaehr wolang wir mussten um wieder in die Stadt zu kommen.
Wir kauften uns unterwegs ein paar Dosen Alkohol und machten es uns so spassig wie nur moeglich. Den Grossteil des Weges waren wir am kichern weil wir immer noch nicht glauben konnten wie kindisch und bescheuert wir waren. Und wahrscheinlich auch aus Verzweiflung weil wir keine Ahnung hatten wie wir weitermachen sollten.
Das Geld wuerde uns, wenn wir so weitermachten noch diesen Monat reichen aber was dann.
Wir hatten ja gut 3000 Euro umgerechnet an Kaution und Maklergebueren und die ersten 2 Monatsmieten als Sicherheit hingeblaettert. Insgesamt hatten wir zusammen Anfangs 7000 Euro wovon pro Person 500 fuer Bus und Guesthouse draufgingen, 90 Euro pro Person fuer das Businesshotel, ca. 2500 hatten wir einfach so rausgehauen bevor wir beschlossen zu bleiben, 3000 fuer die Wohnung. Das bedeutet wir hatten noch knapp 300 Euro oder etwas weniger.
Gott sei Dank hatten wir gegenueber unserer neuen Bleibe einen 1-Euro Laden, was das Ganze etwas einfacher machte. Allerdings ging letztendlich das meisste der Kohle fuer Alkohol drauf.

Wir waren echt ununterbrochen am Feiern und Trinken

Als das Ende unseres Budgets immer naeher rueckte mussten wir uns aufraffen und handeln.
Wir hatten noch knapp 1,5 Monate in der Wohnung, was unserer Meinung nach mehr als genug war um den naechsten Schritt zu planen aber unser Bargeld wurde eben langsam knapp.
Wir gingen jeden Tag die 1,5 Stunden Strecke in die Stadt und wieder zurueck.
Als wir eines Tages total volltrunken waren und keine Lust hatten zu Fuss zu gehen hatten wir auch scheinbar (ich habe ungelogen keinerlei Erinnerung daran) 2 unverschlossene Fahrraeder "ausgeliehen".
Fragt mich nicht wo und wie wir diese Fahrraeder verschafft haben aber am naechsten Morgen wachten wir auf und fragten uns wie wir nach Hause gekommen seien. Wir hatten beide keine Erinnerung an den Vortag aber als wir raus gingen und die Fahrraeder sahen fiel der Groschen und wir sahen uns ernst an worauf ein erneuter Lachflash folgte. (Das erklaerte naemlich den Fakt, dass ich mit einigen blauen Flecken und einer Schramme im Gesicht aufwachte.)
Ich fragte sie mit Traenen in den Augen (vom zu vielen Lachen) "Was sollen wir jetzt machen? Sollen wir sie zur Polizei bringen?" worauf sie sagte "Spinnst du denn jetzt komplett? Wir stecken doch schon genug in der Scheisse! Wir behalten sie einfach."
Gesagt getan.

Das Bild ist scheinbar am Morgen entstanden als wir heimkamen.
Ich habe keinerlei Erinnerung daran. 

Wir fuhren fast jeden Tag mit den Raedern
zum  Schloss um im Park am Grass zu liegen


Wir waren damals skrupellos.
Je haerter die Umstaende es uns machten desto skrupelloser wurden wir.
Ich kann mir jetzt im Nachhinein gar nicht vorstellen wie wir das alles durchgezogen hatten aber irgendwie waren wir damals nicht wir selbst.
Ich war sonst immer so erwachsen, ehrlich und gut erzogen. Ich bemuehte mich zu jedem hoeflich zu sein und vor allem hatte ich NOCH NIE etwas gestohlen.
Und sie, sie war doch sonst immer das kleine verzogene Mama-maedchen, das in Deutschland nicht einmal wusste wie man Zug oder Bus faehrt weil ihr Mama immer alles vorkaute und ihren Chauffeur spielte.
Wir erkannten uns selbst nicht mehr wieder aber wir hatten Spass und uns war es damals auf gut Deutsch gesagt Scheissegal ob dieser auf Kosten anderer ging.

Eines der Fotoautomaten-bilder (Purikura), das zu dieser Zeit
mit Freunden entstand


Und wenn wir schon gerade beim Thema Eltern waren: Ihre Mum fand die Idee natuerlich nicht so zum Bruellen wie wir. Sie war schliesslich 17 und mitten in einer Ausbildung zur Krankenpflegerin. Als sie also an dem Tag an dem wir uns entschieden zu bleiben ihrer Mutter von unseren Plaenen erzaehlte war diese baff. Anfangs hatte sie sogar damit gedroht die Botschaft zu kontaktieren und sie suchen zu lassen, was auch verstaendlich ist. Keine Mutter wuerde wohl ihrer 17-jaehrigen Tochter erlauben einen solch waghalsigen und komplett undurchdachten Schritt zu machen.
Doch nach einem langen Telefongespraech und der Versicherung meinerseits auf sie aufzupassen und falls wir in Schwierigkeiten waren sofort zurueckzukommen willigte sie ein und rief am Tag darauf bei der Lehrstelle meiner Freundin an um diese zu benachrichtigen dass sie nicht mehr kommen wuerde.

Aber zurueck zum eigentlichen Thema: Ich wuerde einen Job brauchen. Da meine Freundin minderjaehrig war (hier beginnt die Volljaehrigkeit mit 20) und noch dazu nur ein Touristenvisum hatte blieb nichts anderes uebrig als dass ich mich schnellstens um einen Job umsah.
Und ich wurde auch nach nicht allzu langer Zeit fuendig. Ich hatte von einem Wifi-spot aus online einige Inserate geschaltet und wurde auch ein paar Tage spaeter mit einem Jobangebot von einer zwielichtigen Investmentfirma kontaktiert.
Aber wie gesagt steckten wir bis zum Hals in Scheisse und ich sagte zu, mich am naechsten Tag mit dem Boss zu treffen.

Wir machten vor dem Vorstellungsgespraech noch ein Foto
schliesslich sieht man mich nicht jeden Tag so fesch


Ich hatte ziemliches Muffensausen als ich den riesigen Afghanen mit Halbglatze an der U-Bahnstation sah und er mich aufforderte ihm zu folgen. Ich dachte ernsthaft entweder ich laufe so schnell ich kann weg oder ich werde in irgendeinem Hinterzimmerchen zerstueckelt.
Als jedoch hinter ihm ein kleinerer, freundlich anmutender Brite hervortrat und sich mit breitem Grinsen foermlich vorstellte, fuehlte ich mich sofort etwas sicherer.
Dennoch hatte ich ein extrem mulmiges Gefuehl als wir zu 3. in ein Gebaeude steuerten, das eher wie ein altes Wohnhaus als ein Buerogebaeude aussah.
Aber in einer der Wohnungen befand sich tatsaechlich ein kleines Buero, das sogar ein Schildchen an der Tuer hatte. Wieder war ich etwas beruhigt aber das mulmige Gefuehl war immer noch da.

Ich wurde ganz normal auf Englisch nach meiner Schulbildung und meinen Sprachkenntnissen gefragt. Ich antwortete wahrheitsgemaess dass ich Franzoesisch, Englisch und Deutsch fliessend spraeche und somit hatte ich den Job so gut wie in der Tasche.
Ich wurde eingeladen am naechsten Tag anzufangen und wuerde damit um die 1500 Euro im Monat verdienen, was durch 4 geteilt und woechentlich ausgezahlt wurde und somit vorerst reichte.


Universal studios Japan


(Teil 2 Ende)

Zum naechsten Teil gehts hier

Rinchan's Welt

Mein Name ist Rin, ich bin 25 Jahre alt und moechte euch in diesem Blog einen kleinen Einblick in mein Leben in Japan geben. Viel Spass beim Stoebern und mehr ueber mich findet ihr bei "About me".

3 Kommentare:

  1. Aaah es ist so unglaublich spannend und liest sich fast wie ein Krimi! Krass dass du das alles durchgemacht hast!

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    1. Haha danke! Hat sich auch so angefuehlt und im Nachhinein kann ich gar nicht glauben wie wir das alles geschafft haben... es wird noch um einiges spannender!

      LG Rin

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    2. Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.

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